Ghana 2017 Nalerigu

Da im Norden von Ghana die Not sehr groß ist, entschlossen wir uns noch einmal dorthin zu fahren. Das Team war sehr klein, da wir beim letzten Mal von der Professionalität des Pflegeteams völlig begeistert waren. Auch dieses Mal wurden wir nicht enttäuscht, die Pfleger arbeiteten extrem effektiv und schnell so dass wir 48 Hernien, 1 Tumoroperation, 2 Kaiserschnitte und 2 Notfälle operieren konnten. Unser Team setzte sich deshalb nur aus 3 Personen zusammen: Dr. Karl-Heinz Moser (Chirurg), Jennifer Pordzik (OP Schwester) und Marion Koell (Photographin und Koordinatorin).
 
Nachdem wir 15 Std. Flug hinter uns hatten, wurden wir schon im OP erwartet. Eine dort tätige amerikanische Chirurgin hatte bereits begonnen einen 5-jährigen Jungen zu operieren mit 13 Löcher (Perforationen) im Dünndarm. Der Junge hatte verseuchtes Wasser aus einem Brunnen getrunken und sich dabei mit Typhus angesteckt. Wir mussten deshalb 20 cm Dünndarm resezieren und den Bauchraum gründlich spülen, da er bereits eine ausgeprägte Bauchfellentzündung mit Fibrinbelägen entwickelt hatte. Das Leben des kleinen Jungen stand damit auf Messers Schneide, da das Krankenhaus über keine Intensivstation verfügt und die Krankenstationen sich in einem erbärmlichen Zustand befinden. Die Kinder haben zum Teil keine Krankenbetten und müssen auf dem Boden schlafen. Aber wie durch ein Wunder erholte sich der kleine Junge und überlebte.
 
Wir waren gerade fertig mit dieser Operation als ich zu einem 3-jährigen Jungen gebeten wurde, dessen Zeige und Mittelfinger von einer Machete fast komplett amputiert worden waren. Sein eigener Bruder ist beim Versuch eine Kokosnuss mit der Machete zu öffnen, abgerutscht und traf dabei die Finger des 3 jährigen, als dieser die Kokosnuss für ihn festhielt. In einer 3 stündigen Operation replantierten ich zusammen mit Schwester Jennifer die beiden Finger. Die Operation war dadurch sehr schwierig, da keine Instrumente zur Knochenbruchversorgung zur Verfügung standen. So gab es keine Bohrmaschine zum Einbringen von Drähten, dementsprechend auch keine Kirschnerdrähte und Knochenzangen mit deren Hilfe man die Knochen wieder richtigstellen konnte. Statt Kirschnerdrähten bot man mir Kanülen an, die aber ungeeignet sind, da über den Hohlraum Keime in den Knochen gelangen können. Wir durchsuchten das Lager und ich fand steril verpackte gerade Nadeln die ich statt der Drähte verwenden konnte. Um die Drähte einzuschlagen verwendeten wird einen Wundhaken. Trotz dieser widrigen Umstände gelang es uns die Knochen wieder anatomisch korrekt einzurichten und die Sehnen und Gefäße zu rekonstruieren. Die nächsten Tage zeigten, dass die Finger durchblutet waren und der Junge seine beiden Finger behalten würde. Nur am ersten Tag weinte er und danach nicht mehr. Er freute sich regelrecht auf uns. Einmal lief ich während einer Visite vorbei, da er auf dem Boden zwischen 1 Bett und der Wand schlafen musste und ich Ihn regelrecht übersah. Er fragte daraufhin ganz traurig ob ich an diesem Tag nicht zu Ihm kommen wolle. Natürlich kam ich zurück und die Freude war daraufhin sehr groß.
 
Die nächsten 4 Tage operierten wir zwischen 10-14 Hernien, von z.T. gigantischen Ausmaßen und z.T. bei ganz kleinen Kindern. Das jüngste Kind war 1 Jahr alt. Letzteres stellt hohe Ansprüche an den Operateur, da naturgemäß die Strukturen sehr klein sind. Bei einem Patienten mussten wir zusätzlich zur Hernienoperation den Hoden entfernen, da Verdacht auf einen Hodentumor bestand. Leider kann man das Präparat in Ghana nicht feingeweblich untersuchen, da man laut Heidi unserer amerikanischen Ärztin 1 Jahr auf den histologischen Untersuchungsbefund warten muss. Sie schickt die Präparate deshalb in die USA und bekommt die Ergebnisse 3 Monate später.
 
Leider fiel dieses Mal immer wieder das Notstromaggregat während der Operationen aus, so dass wir mehrmals ohne Licht in totaler Finsternis operieren mussten und blutende Gefäße nicht mit dem Strom veröden konnten. Meine LED Kopflampe war oft dann die einzige Lichtquelle. Die Gefäße mussten wir einzeln mit Fäden unterbinden,  was die Operation auch nicht gerade beschleunigt.
Insgesamt verliefen jedoch alle Operationen erfolgreich und  ohne Komplikationen. Wir hätten sicherlich noch 10 Operationen mehr geschafft, aber wir mussten bereit am Freitag zurück nach Accra fliegen, da erneut ein Sandsturm erwartet wurde und dann alle Inlandflüge von Tamale nach Accra ausfallen würden.
 
Da wir mittlerweile einen Sponsor aus Österreich gefunden haben, der den OP renovieren will, werden wir vielleicht dieses Jahr ein 2.tes  Mal nach Ghana fliegen, um den Einbau der Geräte, Möbel, Lampen und des Sterilisators zu überwachen.
 
Wir fühlen uns nämlich verantwortlich, dass die Spenden dorthin gelangen wo sie gebraucht werden und nicht in "dunklen" Kanälen verschwinden.